«Bei der Integration von Photovoltaik in Gebäudehüllen ist Sensibilität gefragt.»

Nachhaltige Gebäude sollten auch den Strom für den Eigenbedarf erzeugen. Architektonisch gute Lösungen für den Einsatz von Photovoltaik sind
herausfordernd, aber es gibt sie.

Was macht Gebäude nachhaltig? Es sind insbesondere der vernünftige Umgang mit dem knappen Gut Boden, die Verwendung bestehender Bausubstanz und nachwachsender Materialien, das Umbaupotenzial, die Kreislauffähigkeit – und die Energiebilanz. Heute kann es uns nicht mehr egal sein, wie viel graue Energie ein Haus enthält und wie viel Öl oder Gas wir zum Heizen verfeuern. In Gebäuden sollte möglichst wenig und nur saubere Energie stecken und für den Betrieb benötigt werden.

Es reicht nicht, sich mit gesetzlichen Minimalstandards zu begnügen und das Gewissen mit Öko-Labels zu beruhigen. Um die Klimaziele zu erreichen, dürfen wir eigentlich nur noch Passivhäuser bauen, in denen wenig Graue Energie steckt. Die sind gut gedämmt, haben eine grosse thermische Speichermasse (kein Beton!), lassen wärmende Sonnenstrahlen im Winter herein und halten die Sommerhitze fern.

Baukultur im Einklang mit Energieeffizienz

Auch ein nachhaltiges Haus braucht Strom für Beleuchtung, Geräte, Wärmepumpe und E-Bike/E-Auto. Den kann die Photovoltaik (PV) in ausreichender Menge produzieren. Sie macht Gebäude zu Kraftwerken. Dächer sollten deshalb konsequent als PV-Flächen gebaut werden. Gegen die Winterstromlücke helfen PV-Fassaden, die schneefrei bleiben und bei tiefem Sonnenstand effizient sind. Dabei müssen wir nicht alle bestehenden Oberflächen – Backstein, Verputz, Holz etc. – durch solche aus Glas ersetzen. Mit Rücksicht auf unsere Baukultur ist bei der Integration von Photovoltaik in Gebäudehüllen Sensibilität gefragt.

Farbe, Form und Oberflächenanmutung von PV-Modulen können heute relativ frei gewählt werden. Das eröffnet uns neue Möglichkeiten, sie gestalterisch befriedigend und umgebungsverträglich zu verbauen. Wie das geht, zeigen der Neubau für das Amt für Umwelt und Energie in Basel oder das «Winter-Plusenergiehaus» in Poschiavo, das mit dem Norman Foster Solar Award 2022 ausgezeichnet wurde. Es vereint ökologisches und energieeffizientes Bauen mit moderner Architektur, Ästhetik, Komfort und hoher Lebensqualität.

Herausforderung für den Nachwuchs

Der Wandel hin zu konsequenter Nachhaltigkeit beim Bauen vollzieht sich nur langsam. Die junge Generation der Architektinnen und Architekten spürt den Widerstand des Systems. Es werden noch zu viele Betonbauten mit schlechter Energiebilanz ausgezeichnet und zu viel noch nutzbare Gebäudesubstanz wird abgerissen. Das muss sich ändern.

Bei allen Diskussionen über PV-Anlagen, Energie- und Ressourceneffizienz sollten wir nicht vergessen: Um zu überdauern und nachhaltig zu sein, muss ein Gebäude die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum stellen. Und es muss schön sein! Eine Architektur des nachhaltigen, zirkulären Bauens mit eigener Ästhetik ist erst am Entstehen. An der Berner Fachhochschule befähigen wir den Nachwuchs, sich damit auseinanderzusetzen.

Prof. Peter Schürch ist Architekt SIA SWB, Inhaber von Halle 58 Architekten in Bern, Professor für Architektur und Entwurf an der Berner Fachhochschule sowie Studiengangleiter CAS Nachhaltiges Bauen von EN Bau, einer Kooperation von fünf Fachhochschulen, der ETH und des SIA. Er präsidiert die Jury des Norman Foster Solar Award.

Prof. Dr. Christof Bucher ist Professor für Photovoltaiksysteme und Leiter des gleichnamigen Labors an der Berner Fachhochschule. Er leitet die Fachkommission Technik von Swissolar und die Schweizer Normenkommission TK 82 (Photovoltaische Solar-Energiesysteme) der International Electrotechnical Commission.

Illustrationsbild: Bild: iStockPhoto/ollo