Aus Sicht der Nachhaltigkeit muss ein Gebäude einen geringen Fussabdruck und einen tiefen Energiebedarf aufweisen sowie möglichst lange genutzt werden können.

Ein geringer Ressourcenverbrauch schont die natürlichen Vorräte und hält diese für zukünftige Generationen verfügbar. Dies gilt generell für sämtliche menschlichen Bedürfnisse, ganz besonders aber für den Baubereich. Der Bedarf an Baumaterialien beträgt über zwei Drittel des gesamten jährlichen Materialkonsums der Schweiz. Eine Reduktion dieser enorm hohen Massen führt zu Einsparungen auf verschiedenen Ebenen: Weniger Kies, Beton, Holz etc. bedeutet auch weniger Transporte, weniger Energie bei der Produktion und somit weniger Graue Energie der Materialien.

Hohe Massen bedeuten jedoch nicht in jedem Fall auch hohe Auswirkungen auf die Umwelt. Materialien wie der im Baubereich dominante Beton werden in hohen Mengen verbaut, die resultierenden Umweltauswirkungen können jedoch geringer sein als bei anderen Materialien. Entscheidend ist somit nicht nur wie viel, sondern welche Materialien verbaut werden. Möglichst unproblematisch sollten diese sein, also gut verfügbar (möglichst im eigenen Land), möglichst gut verträglich für Mensch und Umwelt und möglichst gut rezyklierbar.

Was bisher wirklich zählt

Solange die gebaute Infrastruktur vorwiegend mit fossilen Brennstoffen betrieben wird, sind über die Lebensdauer betrachtet die aus dem Energieverbrauch resultierenden Umweltauswirkungen höher als die Umweltauswirkungen durch die verbauten Materialien.

«Die Gebäudehülle ist die Schnittstelle zur Umwelt.»

Heute werden etwa 75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen durch den Gebrauch von Heizöl und Erdgas verursacht. Etwa 25 Prozent der Emissionen stammen aus dem Konsum von Baumaterialien. Es lohnt sich deshalb aus Nachhaltigkeitssicht klar, einen hohen Baustandard mit guten Isolationswerten anzuwenden, auch wenn dafür mehr Materialien und mehr Graue Energie in Kauf genommen werden müssen.

Was in Zukunft zählen wird

Mit zunehmendem Anteil Erneuerbarer Energie für den Betrieb des Bauwerks Schweiz (vor allem mit Wärmepumpen und Fernwärme) sinken die Treibhausgasemissionen deutlich. In einem energetisch den heutigen Anforderungen angepassten Gebäudepark stammen weniger Treibhausgas-Emissionen aus dem Gebäudebetrieb, als durch die Graue Energie der Baumaterialien verursacht wurde.

Da die Materialien selber auch mit einem zunehmenden Anteil Erneuerbarer Energie gefördert, aufbereitet und verbaut werden, sinken absolut gesehen die Umweltauswirkungen deutlich. Relativ gesehen wird der Fussabdruck der Baumaterialien aber wichtiger als heute.

Das Gebäude der Zukunft

Gebäude sollten funktional und optisch anpassungsfähig sein, damit sie über lange Zeit einen hohen Nutzwert aufweisen und optisch attraktiv bleiben. Durch eine lange Nutzungsdauer kann die im Gebäude vorhandene Graue Energie über lange Zeit abgeschrieben werden. Wenn das Gebäude trotzdem einmal abgerissen wird, müssen die Materialien zu einem möglichst hohen Grad rezykliert werden können. Bei der Planung sind leichte Gebäudestrukturen mit flexiblen Nutzungsoptionen anzustreben.

Der Gebäudehülle kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie als Schnittstelle zur Umwelt verschiedene Funktionen wahrnehmen muss. Nebst dem Wetterschutz eröffnet sich für Dach und Fassade die Möglichkeit zur Energiegewinnung, geschickte Optionen für die Beschattung reduzieren in Zeiten zunehmend heisser Sommer den Bedarf an Kühlenergie.

Marcel Gauch ist Nachhaltigkeitsdelegierter der Empa und befasst sich als Forscher mit Fragen der Material- und Energieeffizienz in verschiedenen Bereichen. Seit Anfang 2020 ist er Mitglied des Zentralvorstands von Gebäudehülle Schweiz. www.empa.ch – www.gebäudehülle.swiss

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