«Nutzen wir das Wissen, bevor es zu spät ist!»

Klimaverträgliches Bauen ist und bleibt die effizienteste Art des nachhaltigen Wirtschaftens. 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses werden durch die
Erstellung, den Betrieb und den Abriss von Gebäuden verursacht.

Bei einem Neubau entscheidet sich bereits in den ersten Planungsschritten, wieviel Emissionen resultieren werden. Je früher der Entscheid für ein klimaverträgliches Bauprojekt fällt, desto effizienter können die Ressourcen eingesetzt werden. Flächensparende Grundrisse, effiziente Gebäudenutzung oder Holzbauten reduzieren die grauen Treibhausgase markant. Aber auch der Aushub ist für einen wichtigen Teil der Emissionen im Bausektor verantwortlich. Zentral ist: Kreisläufe mineralischer Baustoffe sollten möglichst geschlossen und Bauabfälle wiederverwendet werden.

Wirksame Gesetzgebung dringend notwendig

Um Fehlanreize zu vermeiden, brauchen wir jedoch wirksame Gesetze. In neuen Bauwerken stecken viel graue Energie und viel graue Emissionen. Mit dem Pariser Abkommen und dem Netto-Null-Ziel rückt die CO2-Reduktion beim Bauen verstärkt in den Fokus. Ressourcenschonendes Bauen kann bis zur Hälfte der Treibhausgasemissionen einsparen. Mit der Kreislaufwirtschaft kann auch die Bauwirtschaft auf Nachhaltigkeit ausgerichtet
werden.

Der Nationalrat hat zur Verankerung der Kreislaufwirtschaft eine Ergänzung des Umweltschutzgesetzes (USG) erarbeitet. Das Kreislaufgesetz nimmt die Branche in die Verantwortung und trimmt sie auf Nachhaltigkeit, damit diese einen wichtigen Beitrag zur Energieeffizienz und zur Senkung des CO2-Ausstosses beitragen kann.

Der Gesetzesentwurf enthält neu einen Gesetzesartikel mit dem Titel «Ressourcenschonendes Bauen». Damit erhält der Bundesrat die Kompetenz, Anforderungen an umweltschonende Baustoffe zu stellen und die Trennbarkeit von Bauteilen zu verlangen. Zudem nimmt der Bund bei eigenen Bauwerken eine Vorbildfunktion wahr. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings ein sehr kleiner. 

Wichtiger wäre es, die grauen Emissionen von Neubauten zu beschränken. Sie übertreffen die gesamten Emissionen während der gesamten Betriebsdauer eines Gebäudes. Nur mit griffigen Rahmenbedingungen für graue Emissionen kann das Pariser Klimaabkommen eingehalten werden. Mit zweckmässigen Regulierungen könnten Holzkonstruktionen und CO2-armer Beton gefördert werden. Leider ist der Widerstand gegen griffige Klimamassnahmen noch gross.

Beispielhafte Regelungen im Ausland

Andere Länder haben bereits fortschrittlichere Gesetze. In Schweden müssen die Berechnungen der grauen Emissionen bei der Planung neuer Gebäude vorliegen, um eine Baugenehmigung zu erhalten. In Frankreich ist man sogar noch einen Schritt weiter und verpflichtet die Bauherrschaft zur Analyse der grauen Energie während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, vom Bau bis zum Abriss. Andere Länder werden in Kürze nachziehen, und auch die Europäische Kommission befasst sich mit der CO2-Vermeidung beim Bauen. Die Schweiz hätte die Chance, mit der anstehenden Gesetzesänderung Grenzwerte für graue Emissionen bei Neubauten festzulegen. Doch voraussichtlich findet diese fortschrittliche Regulierung keine Mehrheit. 

Grenzwerte für graue Energien hingegen könnten als Light-Variante mehrheitsfähig sein. Allerdings will der Bundesrat unter Albert Rösti, dem neuen Vorsteher des Umweltdepartements, auch diese Light-Version ablehnen. Noch sind die Würfel nicht gefallen. Mit entsprechendem Lobbying kann der Entscheid noch beeinflusst werden.

Klar ist: In der Bauwirtschaft muss sich bezüglich CO2-Ausstoss und grauen Emissionen dringend etwas ändern. Seit Jahrzehnten wird über nachhaltiges Bauen geforscht. Das Wissen ist vorhanden. Wenden wir es an, bevor es zu spät ist.

Martina Munz
SP-Nationalrätin (Schaffhausen)

Illustrationsbild: © istockfoto/Drazen_