Den grössten Teil, rund 70 Prozent unserer Kompetenzen entwickeln wir auf dem Arbeitsplatz und im Alltag in der direkten Anwendung. Die Bildung macht nur zirka 10 Prozent des Kompetenzzuwachses aus. Braucht es also die klassische, formelle (Weiter)Bildung überhaupt? Ja. Denn sie ist das Fundament, auf dem das Praxiswissen aufgebaut wird, insbesondere, wenn ich mich in neuen Themenfelder bewegen möchte.

Die Weiterbildung im nachhaltigen Bauen setzt eben an diesem Punkt an. Sie erschliesst neue Technologien, antwortet auf aktuelle Anforderungen und neue Sichtweisen auf bekannte Themen.

Persönlichen Bezug schaffen

Nachhaltiges Bauen an sich ist ein abstrakter, wenig fassbarer Begriff. Um das neue Wissen dazu verankern und in Handlungen umsetzen zu können, muss ich zuerst einen persönlichen Bezug schaffen. Welche Aspekte sind relevant für meine Arbeit? Welches ist der Nutzen für mich, für das Unternehmen, für die Gesellschaft? Die Auseinandersetzung mit neuem Wissen und der beschleunigten technischen Entwicklung erfordern teilweise sogar ein Umdenken und ein Heraustreten aus bewährten Denkschemata.

Um diese Lernprozesse anzuregen, sind Weiterbildungen ein geeignetes Mittel. Sie wirken unterstützend, um das nachhaltige Bauen über die Fachleute in den Branchen zu etablieren. Der (teils branchenübergreifende) Austausch mit anderen ist ein benchmark meiner Kompetenzen und schärft mein Verständnis für Schnittstellen zu weiteren Fachbereichen. Über die «peers» gelingt es mir, meinen Horizont auch bei vermeintlich ausgelutschten Themen zu erweitern. Die Anwendung «on the job» konkretisiert anschliessend den abstrakten Begriff und macht ihn fassbar. Sie trägt somit zur langfristigen Verankerung des Wissens bei.

Fachpersonen sind Multiplikatoren

Die Politik hat die Notwendigkeit zur (Weiter)Bildung ebenfalls erkannt: Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI hat im Dezember 2020 eine Orientierungshilfe «Nachhaltige Entwicklung in der Berufsbildung» herausgegeben, um aufzuzeigen, wie jeder Beruf – mit jeweils unterschiedlicher Ausprägung – zur nachhaltigen Entwicklung beitragen kann.

Fachpersonen der Bau- und Gebäudebranche sind zentrale Multiplikatoren, um das Thema des nachhaltigen Bauens in die Breite zu tragen. Die Bruttowertschöpfung von rund fünf Prozent zeigt die Bedeutung der Baubranche in der Wirtschaft auf. Deshalb muss die Rolle der Beratung und das Bewusstsein um die damit verbundene Verantwortung bei Fachpersonen gestärkt werden.

Kompetenzen stärken

Mit der Bildungsoffensive Gebäude hat nun auch EnergieSchweiz eine Roadmap mit Massnahmen vorgestellt, die zum Ziel hat, die Herausforderungen bezüglich Energie und Klima anzugehen. Ein Handlungsfeld zielt auf das «Befähigen der Fachkräfte für gegenwärtige und künftige Herausforderungen über die nicht formale Bildung». Im Fokus steht das Stärken der Kompetenzen der Fachkräfte.

Das nachhaltige und gesunde Bauen geht in den Anforderungen weit über Klima- und Energiefragen hinaus. Nebst technischen Kompetenzen benötigen die Fachleute kommunikative und soziale Kompetenzen, um das Thema in der Branche und bei der Bevölkerung weiterzubringen. Nachhaltiges Bauen ist kein Nischenprodukt mehr, sondern zu einem Statement für einen verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Umwelt geworden. Als Begriff etabliert, braucht es jedoch weitere Bemühungen, es zur «konventionellen» Art des Bauens werden zu lassen. Zur Stärkung des Images sind Qualität und Kompetenz der Fachleute entscheidend.

 

Autorin

Christine Gubser, ist Mitglied der Geschäftsleitung bei sanu ag. Als Erwachsenenbildnerin und Kommunikationstrainerin ist sie zuständig für den Bereich Planung und Bau sowie die Qualitätssicherung der Bildungsangebote. Dank der neuen Partnerschaft mit dem Bildungszentrum Baubiologie fördert sanu ag nun auch selbst Kompetenzen im gesunden und nachhaltigen Bauen. cgubser@sanu.ch